Lebensgeschichte der Spartaner, Prof.Hans F. K. Günther

Die Dorer zerfielen in eine Anzahl Stämme, deren bedeutendster die Spartaner geworden sind. Jeder
 Dorerstamm zerfiel in drei Verbände, die Pamphyloi, die Dymanes und die Hylleis. Die Hylleis waren
 illyrischer Herkunft (oder überwiegend), und das heißt, in der Bronzezeit überwiegend nordischer Herkunft
 wie die anderen hellenischen und indogermanischen Stämme auch. In geschichtlicher Zeit hatten die
 Spartaner die alte Dreiteilung ihres Stammes aufgegeben; daß sie aber bei ihnen wie bei den anderen
 dorischen Stämmen bestanden hatte, geht aus einer Stelle bei Athenaios hervor. (…)
Seit – 900 schon läßt sich in Sparta die Bildung einer Herrenschicht verfolgen. die das fruchtbare Ackerland
 der Eurotasebene unter ihre Geschlechter verteilt hatte und nach und nach aus Großbauern zu Gutsherren
 und Adelskriegern wurde und die aus den Lagerdörfern oder dem Landstädchen Sparta eine Lagerstadt
 machte, ein dauerndes Feldlager als Machtkern eines Adelstaates. Um dieses Feldlager herum lagen im
 ganzen Tale die Erbgüter, die klaroi dieser Herrengeschlechter, deren Familienhäupter schließlich dauernd
 in der Lagerstadt zusammen wohnten und täglichen Kriegsdienst übten. Wie beim Adel der Dorer auf Kreta
 hielten die spartanischen Herren mit ihren Söhnen die Mahlzeiten gemeinschaftlich ab: die Syssitien sind
 aus der bäuerlichen Mahlzeit des indogermanischen Hof- und Hausherren abzuleiten, der in der
 Großfamilie, wie sie – abgesehen von der noch heute in Resten bestehenden Großfamilie (Zadruga) der
 Südslawen – in Rom als Agnatenfamilie am längsten bestehen blieb, mit seinen Söhnen und deren Frauen
 und Kindern und mit seinem Gesinde aus der Familienordnung zu erklären und nicht aus einer
 männerbündischen Gesittung.

Im 8. Jh. v.d.Z. schon wurde die Königsmacht eingeschränkt durch den Ältestenrat und die Ephoren,
 (Aussichtsbeamten aus dem Spartiatenadel). Diese Entwicklung erstreckt sich bis ins 5. Jh. v.d.Z., bis zur
 Auseinandersetzung der Ephoren mit dem König Kleomenes, die mit der Gleichberechtigung der Könige
 und der Ephoren endete. Auch der Ältestenrat, die gerusia, gewann nach und nach Macht auf Kosten des
 Königtums. Das spartanische Königtum wurde durch zwei Geschlechter vertreten, aus denen immer ein
 Nachkomme zusammen herrschte mit einem Nachkommen des anderen Geschlechts. Die Herkunft dieser
 Doppelherrschaft zweier Häuser, der Agiaden, Nachkommen eines sagenhaften Königs Agis, und der
 Eurypontiden, Nachkommen eines sagenhaften Königs Eurypon, hat bisher nicht erklärt werden können.
 Die spartanische Verfassung ist durch das Bestehen dreier Volksschichten verschiedenen Rechts
 gekennzeichnet, die sich schon im 7. Jh. v.d.Z. in ihrer Trennung und Abstufung erkennen lassen.

1. Die Herrenschicht, die Spartiaten, die grundbesitzenden Vollbürger, der Kriegeradel, Nachkommen der
 tatkräftigen Geschlechter dorischer und indogermanischer Vorzeit, untereinander Freie und Gleiche, daher
 auch homoio genannt, Nachkommen also der Großbauerngeschlechter dorischer Vorzeit, getreue Bewahrer
 eines indogermanischen Adelsbauerntums, doch schon in ständischer Ausprägung hervortretend als eine
 sich abschließende Adelsschicht. Es waren die Besitzer eines Erbgutes, eines klaros, eines Landbesizes, der
 etwa 3 Männer und 3 Frauen der spartanischen Schicht ernähren konnte, dazu 7–8 Heilotenfamilien,
 Knechtefamilien, im ganzen also etwa 20 Menschen. In anderen Hellenenstaaten verlor der Adel in
 frühgeschichtlicher Zeit an Bedeutung und Macht, als der Kampf mit dem Streitwagen oder zu Pferd abkam
 und die Reiterei hinter dem Fußvolk an Kriegswert zurücktrat. Die Spartiaten hatten frühzeitig Streitwagen
 und Reiterei aufgegeben, waren zu Fußgängern geworden, bauten die Phalanx als Schlachtordnung
 schwerbewaffneter Fußkämpfer aus, in deren vorderster Reihe sie selbst als Adel kämpften; sie sicherten
 so zugleich ihre Stellung als Herrenschicht gesteigerten Rechtes.

2. Die Perioikoi: F. Hampl hat nachgewiesen, daß auch die Perioiken dorischer Herkunft waren und dem
 spartanischen Stamme angehörten. Sie waren Nachkommen minder tatkräftiger Geschlechter, denen bei
 Landnahme die Äcker an den Hängen der Gebirge zugefallen waren, außerhalb der fruchtbaren
 Eurotasebene. Die Perioiken waren somit die kleineren Bauern spartanischen Stammes. Die Zahl der
 Spartiatenlose mag etwa 9000 betragen haben, die der Perioikenlose etwa 30 000. Aus der perioikischen
 Schicht entstanden nach und nach auch Handwerker und Händlerfamilien, schließlich Familien, die reicher
 wurden als die Spartiatenfamilien ihres Wohnorts. Die Perioiken galten als freie Spartaner, waren zu den
 Olympischen Spielen zugelassen, waren heerespflichtig, aber auch abgabenpflichtig. Zwischen Spartiaten
 und Perioiken waren nur lose ungesetzliche Verbindungen der beiden Geschlechter möglich. Auch den
 Perioiken waren zur Feld- und Hausarbeit unfreie Knechte, Heiloten, zugewiesen. Rassisch waren die
 Perioiken ursprünglich wahrscheinlich den Spartiaten gleich, d. h. überwiegend nordisch. Während aber die
 Spartiaten streng auf Erhaltung der Auslesehöhe ihrer Geschlechter achteten, mögen die Perioiken sich
 häufiger mit der vordorischen Bevölkerung, mit Resten des Achaiertums, verbunden und so nach und nach
 stärkere Einschläge westischer und vorderasiatischer Rasse erhalten haben. Sie verloren wahrscheinlich
 nach und nach die Überlieferungen der indogermanischen Geschlechterzucht und damit auch die rassische
 Abgeschlossenheit und Eigenart.

3. Die Heiloten. Es ist die unterste Schicht der schon von den Achaiern unterworfenen vorhellenischen
 Bevölkerung, der Rasse nach wahrscheinlich westisch-vorderasiatisch wie die minoischen Kreter, doch mit
 einigen Einschlägen nordischer Rasse aus Verbindungen mykenischer Achaiern mit Töchtern der
 vorachaiischen Schicht. Die  Heiloten waren leibeigene Staatssklaven, von denen jede Spartiatenfamilie
 sieben, jede Perioikenfamilie einen zugewiesen erhielt; sie hatten einen kleinen Hof und wenig Ackerland;
 im Heere dienten sie als leichtbewaffnete Diener ihrer spartiatischen und perioikischen Herren. Sie galten
 als unterworfene Feinde unter Kriegsrecht.
Es mögen in Sparta um – 550 etwa 300– 350  000 Menschen gewohnt haben, davon 2⁄3 Heiloten und mehr
 als 1⁄4 Perioiken, dazu etwa 20  000 Menschen der Adelsfamilien, worunter kaum mehr als 8000
 erwachsene Männer. Von einer so kleinen Zahl sind die Leistungen der spartiatischen Schicht vollbracht
 worden; aus dieser geringen Zahl stammen so viele Hervorragende, wie diese Schicht gestellt hat.
Zwischen –700 und –  630 erlebte Sparta ein friedlicheres Gedeihen, zu welchem allerdings die Aussaugung
 der messenischen Bauern dorischen Stammes durch die spartanischen Eroberer beitrug. Das fruchtbare
 Land im eroberten Messenien war an Spartiatensöhne verteilt worden, die dort große Güter anlegten. In
 diesem friedlicheren Zeitabschnitt blühten in Sparta die Künste, der Tempelbau erhielt seine dorische
 Prägung, die Bildhauerei schuf strenge Gestaltungsgesetze, die Dichtung trat besonders in der Chorlyrik
 hervor, deren Sprachform auch außerhalb des Gebietes dorischer Mundarten dorisch blieb. Die
 gottesdienstlichen Feste wurden feierlich ausgestaltet, besonders die Verehrung von Apollon und Artemis,
 echt dorischen Gottheiten und zugleich echt nordischen Gottheiten. Es war ein Zeitalter der Ruhe und eines
 würdigen Wohlstands der beiden freien Schichten.
Mit dem Zweiten Messenischen Kriege (etwa – 640 bis – 612), änderte sich das ganze spartanische Leben.
 Straffe Anspannung und große Opfer wurden gefordert. Das Spartiatentum raffte sich zu dem harten
 Adelskriegertum zusammnen, als das es in die Geschichte eingegangen ist, zu einer Kriegerkaste unter
 strengen Lagergesetzen.  Vom 6. Jh.v.d.Z. ab wurde Sparta nach außen friedlich, bedacht auf Erhaltung
 bestehender Zustände, nach innen das Lager eines kleinen, aber dauernd in Waffen stehenden Heeres.
 es richtete sich zu einer einseitig kriegerischen Starrheit auf. Das adelsbäuerliche Empfinden der
 Spartiaten ließ den Geldverkehr nicht zu und versuchte die Naturalwirtschaft beizubehalten. Sparta ist
 hierdurch den geldwirtschaftlichen Nachbarstaaten gegenüber schwerfällig geworden und zu seinem
 Schaden öfters auch in seiner Machtanwendung gehemmt worden.
Das Spartiatentum wurde aus einer Herrenschicht von kriegerischen Landbesitzern ein Männerbund von
 Berufskriegern in Dauerbereitschaft. In solchem Männerbunde lag Spartas Größe und Verhängnis, Spartas
 Macht und Erstarrung beschlossen (siehe besonders Hans Lüdemann). Mit diesem Männerbunde wurde in
 Sparta schließlich die Familie erstickt und damit das Leben selbst. Der Vorgang der Erstarrung wird gegen
 Ende des 5. Jh. v.d.Z. abgeschlossen, als das Ephorentum über das Doppelkönigtum siegte und das
 große, aber lastende Adelsgesetz sich durchsetzte gegen die weitherzigeren und ausgreifenden Gedanken
 einzelner hervorragender Männer. Seit – 550 macht sich in Sparta die geistige Abtötung fühlbar. Die
 Spartiaten leiteten als die Nachkommen indogermanischer Adelsbauern ihre unveräußerlichen Erbgüter
 schließlich nicht mehr als bäuerlich tätige Herren, sondern als Grundbesitzer, welche die Arbeit ihrer
 Heiloten überwachten,  von deren Ertrag sie in Sparta lebten und ihre schwere Rüstung bezahlten.
 Gutswirtschaft und Waffenübungen allein waren eines Spartiaten würdig – ganz in der Weise, wie es auch
 italischem, germanischem und persischem Wesen entsprach, bei diesen Völkern jedoch so, daß nicht das
 Leben selbst erstickte.
Wie es in Rom ursprünglich zwischen Patriziern indogermanischer Herkunft und Plebejern
 vorindogermanischer Herkunft kein Eherecht, concubium, gab, so nicht zwischen Spartiaten und Heiloten.
 Es konnte zwischen diesen Schichten nur lose Verbindungen geben. Kinder von spartiatischen Erzeugern
 und nichtspartiatischen Müttern hießen mothakes oder mothones. Ein solcher Mothax wurde zwar ein freier,
 nicht aber ein erbberechtigter Bürger; er hatte kein Anrecht auf ein Erbgut und konnte daher auch nicht
 „echte Erben“ hinterlassen, um es mit einem germanischen Rechtsausdruck, jedoch nach allgemein
-indogermanischer Auffassung, zu bezeichnen. Nur in den seltenen Fällen besonderen kriegerischen
 Verdienstes konnten nach Durchlaufen der strengen spartiatischen Erziehung aus solchen Mischlingen
 Vollbürger werden. Auch aus dieser Durchbrechung des ursprünglichen Grundsatzes der Abstammung,
 Ebenburt und Vollberechtigung – nämlich der ehelichen Herkunft von freien Eltern indogermanischer Art –
 läßt sich schließen, daß das Spartiatentum aus einer reinblütigen Adelsbauernschaft mit sinnvollen
 rassischen Anschauungen schon eine Standesschicht mit minder sinnvoller Anschauung der Siebung und
 Auslese geworden war: spartiatische Erziehung wurde schließlich höher gewertet als die Herkunft von
 spartanischen Eltern, Ebenburt wurde nach Standesgrundsätzen bestimmt und nicht mehr allein nach der
 Siebung und Auslese der Anlagen bei ehelicher Zeugung. Der Erziehung, also einer Umwelteinwirkung,
 wurde aus Standesbewußtsein eine Macht zugeschrieben, die nur in Anlagen gesucht werden durfte. Solche
 Wandlung vom Artgemäßen zum Standesgemäßen konnte sich durchsetzen, weil in der perioikischen und
 heilotischen Schicht, besonders in der heilotischen Schicht Messeniens, ein nordischer Einschlag das
 Auftauchen von Männern außerehelicher Zeugung zwischen den Schichten ermöglicht hatte, die den
 Spartiaten gleichwertig erscheinen konnten und kraftvoll genug, eine spartiatische Erziehung auszuhalten,
 das Auftauchen von Männern, die auch in leiblichen Zügen dem Spartiatentum gleichkamen. Ein völliges
 Übersehen der Anlagen und der Vererbung war die Aufnahme kraftvoller Mischlinge (mothakes) doch nicht,
 weil die spartiatische Erziehung wie die patrizisch-latinische und wie die Ämterlaufbahn (cursus honorum) in
 Rom gewirkt haben muß.
In Sparta sollte die Erziehung siebend wirken, durch sie sollte erwiesen werden, ob ein Jüngling der
 spartiatischen Schicht leiblich und seelisch so beschaffen sei, wie es nach seiner Abstammung erwartet
 wurde. So wurden Fünfkampf und Lauf geübt, so wurde die Urteilskraft erprobt und geübt, die kurze Rede
 und Antwort, die Wortkargheit bei sicher treffendem Ausdruck, die spartanische Brachylogie. Die List wurde
 geübt, die Kriegslist gelehrt, auf welche die kleine Minderheit „inmitten vieler Feinde“ angewiesen war. Die
 Krypteia sollte auch zur Übung der Jugend im Überfall dienen.   Hatten die Spartaner mit den Waffen
 gesiegt, so opferten sie einen Hahn, hatten sie durch List gesiegt, so einen Ochsen. Dieses Lob der List
 bedeutet keinen Mangel an Kampfgeist und Tüchtigkeit; es war aber auch entstanden aus der Angst vor
 Verlusten der Herrenschicht, einer Angst, die Sparta oft beklemmt hat.
Bei solcher siebenden Erziehung wuchs in Sparta (siehe Ulrich Wilcken) eine Auslese stahlharter Edelleute
 (kaloi k’agathoi) heran, die trotz der Unterlegenheit an Zahl bis zu den Perserkriegen das ganze Hellas
 anzuführen und gegen den Feind auszurichten befähigt war. „Ohne Sparta würde Griechenland zur Beute
 der Perser geworden sein.“ (M.P. Nilsson)

Spartas Erstarrung und Abstieg

Im  6. Jh. v.d.Z. vollzog sich in Sparta eine Verengung des menschlichen Wesens und Wirkens, der Beginn
 einer Erstarrung, die schließlich den Abstieg mitbewirkt hat. Sparta wurde die altgesinnte Macht, die in den
 anderen hellenischen Staaten die Herrschaftsform der Tyrannis bekämpfte, die aus der Beseitigung von
 Adelsherrschaften hervorgegangen war. Noch im 6. Jh.v.d.Z. steht Sparta mächtig da; es ist unbestritten
 die Vormacht für ganz Hellas und übt in allen hellenischen Staaten seinen Einfluß aus. Man kann in dem
 Menschenalter vor Ausbruch der Perserkriege die Blütezeit des Spartiatentums erblicken (siehe Wilhelm
 Roscher). Gegen den nach Hellas gerichteten Vorstoß des übermächtigen Perserreiches hat Sparta die
 Führung übernommen, eine Führung, die ihm von den anderen hellenischen Staaten nicht bestritten
 worden ist. Die anderen Staaten würden sich ohne Sparta wahrscheinlich in eine Oberherrschaft des
 Perserkönigs gefügt haben, wie dieser sie über hellenische Bevölkerungen Kleinasiens schon ausübte.
 Unter dem spartanischen Feldherrn Pausanias kämpften bei Plataiai im Jahre – 479 die Spartaner und
 Plataier als Kern des hellenischen Aufgebots gegen das persiche Heer. Den höchsten Glanz spartanischer
 Waffenehre und Staatsgesinnung hatte der Fall der Spartaner unter dem König Leonidas im Engpaß von
 Thermopylai bedeutet, als im Jahre – 480 der König sich mit 300 Spartanern und 700 Thespiern freiwillig
 für Hellas opferte. Die Spartiaten verloren bei den Thermopylen etwa ein Zwanzigstel ihres Bestands; der
 Todeskampf der Dreihundert hat zwar durch Aufhalten des persischen Vormarsches die Flotte der Athener
 gerettet, konnte jedoch für den Ausgang des Feldzugs nicht viel bedeuten, aber die Größe der Tat, die
 Selbstopferung der Spartaner, nicht nur für Sparta, sondern für ganz Hellas, wirkte fortan wie ein Preislied
 auf das spartanische Wesen und überzeugte die anderen Hellenen, daß Hellas nur zu retten war, wenn
 Sparta es führte und Spartas Krieger den Kern des hellenischen Heeres stellten. In Sparta hat der
 Untergang der 300 bei den Thermopylen als Aufruf weiter fortgewirkt, solange es noch spartanische
 Geschlechter gab.
Noch im 5. Jh. v.d.Z. blieb Sparta mächtig und gefürchtet. Aber der Abstieg durch Aussterben der
 Spartiatenfamilien war vorbereitet: schon die Verluste von Thermopylai waren nicht mehr auszugleichen. L.
 Ziehen nimmt an, daß die Zahl der Spartiaten schon zwischen den Perserkriegen und dem
 Peloponnesischen Kriege stark abgenommen habe. Im Jahre – 480, zu einer Zeit als die spartanische
 Schicht noch aus etwa 7–8000 Familienhäuptern bestand, hatten die Spartaner bei Thermopylai zwar
 anscheinend noch ohne Bedenken 300 ihrer tüchtigsten Männer geopfert; aber spätestens nach dem
 verlustreichen Erdbeben von –  464 erfolgte der Einsatz spartiatischer Krieger mit immer größerer Vorsicht,
 damit nicht weitere unersetzbare Verluste entstünden. Das Aussterben der Adelsgeschlechter muß also
 bemerkt worden sein. Das Erdbeben von –  464 war nach Plutarchos (Kimon, 16) das furchtbarste, das je
 vorgekommen war. Nach Diodoros (XI, 63, 1) sind dabei 20 000 Lakedaimonier umgekommen. Diese Zahl
 ist nach Ziehen wahrscheinlich nur wenig übertrieben. Beim Erdbeben stürzte das Gymnasion, das große,
 den Leibesübungen dienende Hallengebäude, ein und begrub unter sich die Epheben, die
 heranwachsenden Jünglinge und die ihnen beistehenden Männer. Viele Frauen und Kinder in der Stadt
 Sparta wurden von einstürzenden Häusern begraben.
Eine unmittelbare Folge des Erdbebens war der Aufstand der Heiloten in Lakonien und der messenischen
 Bauern, deren Vorfahren zu Heiloten geworden waren: sie erschlugen die auf ihren Gütern in Messenien
 weilenden Spartiaten. Von einem nach Messenien gesandten spartanischen Heere unter dem Feldherrn
 Arimnestos, der bei Plataiai den persischen Anführer gefällt hatte, fielen im Kampfe 300 Spartiaten.
 Messenien konnte erst nach zehnjährigen Kämpfen und großen Verlusten durch ein spartanisches Heer
 unter Archidamos wieder unterdrückt werden. Dies war der Dritte Messenische Krieg. Die Verluste der
 spartiatischen Schicht konnten jetzt nicht mehr ersetzt werden. Die Staatskunst Spartas verengte sich seit
 dem Erdbeben zu einem Bemühen um Bestandserhaltung, einer Abwehr gegen den Niedergang, der seit
 dem Aufstand der Messenier offenbar geworden war. Vom früheren Gedeihen und einstigem Wohlstand ist
 seit dem Erdbeben in Sparta nichts mehr zu finden. Die Drohung von Westmessenien her bleibt bestehen;
 von der Ostgrenze, von Argos her, erheben sich neue Gefahren; Kämpfe mit Argos waren zu bestehen,
 das Kynuria an die Spartaner verlor.
Aus dem spartiatischen Mannschaftsverband entstand ein spartiatischer Männerbund, dessen  Geist die
 Familie in Sparta zerstört und so schließlich Spartas Macht ausgehöhlt hat. Die Abirrung des
 Mannschaftverbandes zu einem eigentlichen Männerbunde, wie er sonst in der Regel nur bei
 mutterrechtlicher Familienordnung gefunden wird, hat schließlich gerade die Erhaltung der spartanischen
 Geschlechter gefährdet und endlich deren Aussterben beschleunigt.
Die Erstarrung des Staatswesens war vollzogen, als Ende des 5. Jh. v.d.Z. das Ephorentum über das
 Königtum gesiegt hatte, als bedeutende Männer wie Pausanias und Leotychidas, Könige und Feldherren,
 abgesetzt und zum Tode verurteilt werden konnten, so in den Sechziger Jahren des 5. Jh. v.d.Z. Um – 400
 herrschte in Sparta die kalte, herrische Selbstsucht, gebändigt durch eine harte Manneszucht im
 Männerbund. Gegen fremde Gedanken und Menschen war Sparta nun abgeschlossen. Dadurch ist das
 Land sicherlich vor dem Eindringen minderwertiger oder aufrührerischer Menschen bewahrt geblieben, wie
 sie in Athen in größerer Zahl zuwanderten und Peiraieus bevölkerten; es hat sich aber auch gegen den
 Zuzug hervorragender Männer verschlossen, dem Athen wertvolle Kräfte verdankt. Man fürchtete in Sparta
 wie im republikanischen Rom den Einfluß fremder Anschauungen, Lehren und Sitten. Sparta wollte seine
 lykurgischen Sitten ungefährdet bewahren; es hatte den Wert seiner Sitten für den Schutz und die
 Erhaltung seiner Familien erkannt und muß auch erkannt haben, daß schon eine Anzweifelung durch
 fremden Geist, eine Gefährdung der Auslese bedeute. Aus Plutarchos (Lykurgos, 13) ergibt sich, daß
 Wesen und Bedeutung der Sitte begriffen wurden, daß man eingesehen hatte, es sei besser, Gebote und
 Verbote seien in Sitten befestigt als allein in Gesetzen ausgesprochen;  die Gesetze müßten als Sitten in
 Gesinnung und Gemüt der Bürger wurzeln. So muß der unbegrenzte Wert der Sitte, der begrenzte des
 Gesetzes etwa in dem Sinne erkannt worden sein, der sich aus der Schilderung germanischen Lebens bei
 Tacitus (Germania, 19, 15) ergibt: gute Sitten gelten bei den Germanen mehr als bei den Römern gute
 Gesetze.

Aus dieser Gewißheit von Bedeutung und Wert der Sitte ergibt sich die spartanische Beargwöhnung fremder
 Menschen und fremden Geistes. Plutarchos meint, Lykurgos habe Sparta vor „sittlicher Ansteckung“ noch
 mehr behüten wollen als vor Einschleppung von Seuchen. Die Abschließung des Landes wurde aber
 schließlich zu einer Erstickung des spartanischen Lebens selbst und geschah schließlich nur noch in der
 engherzigen Absicht, das Hergebrachte und Bestehende ohne Abänderung zu erhalten. Sparta blieb so
 zurück in einer sich wandelnden Zeit, es verlor die Vorherrschaft über Hellas, weil sein Blick sich auf die
 Peloponnes verengte und weil es unbelehrbar daran festhielt, man könne neue Lagen mit den bewährten
 oder gewohnten Mitteln der herkömmlichen Staatskunst meistern, wenn nur durch dauernde Übung das
 spartanische Landheer immer bereit stehe. (…)
Bestand und Macht der Herrenschicht waren zum Dahinschwinden bestimmt, als in einem Zeitabschnitt, der
 noch nicht genau bestimmt werden konnte, vielleicht zu Beginn des 4. Jh. v.d.Z., durch das Gesetz des
 Epitadeus alles Ackerland aus Staatsbesitz in Einzelbesitz überging, als aus unveräußerlichen Erbgütern,
 gleichsam Erblehen des Staates an die spartiatischen Geschlechter, nunmehr veräußerliche Besitztümer
 von Einzelnen wurden, deren Vererbung auf Nachkommen nicht mehr gesichert war, weil der Einzelne jetzt
 durch letzten Willen frei verfügen durfte. Die Verfügungsfreiheit konnte zu verschleierten Verkäufen
 führen, jetzt, nach Einführung einer Währung, zu Verkäufen gegen Geld. (…) Aus der Adelsherrschaft mit
 ländlicher Gesinnung war so eine Herrschaft städtischer Reicher (Oligarchie) entstanden, die der
 Zersetzung verfiel.
Die Folge des Gesetzes war die Vereinigung mehrerer Güter in der Hand weniger, übermächtig werdender
 Spartiaten, also die Bildung von Großgütern,  die von einer gewissen Verhältniszahl ab immer eine
 Gefährdung des Staates bedeuten. Durch Bildung großer Güter bei Abnahme des mittleren und kleinen
 Landbesitzes ist im Verlauf der Geschichte der meisten Völker indogermanischer Sprache eine Wendung
 zum Unheil eingetreten. Im Spartiatentum entstand der Gegensatz der vielen Armen gegen die wenigen
 Reichen. Spartiaten, die nicht mehr die Kosten ihrer Rüstung tragen konnten und den Beitrag zu den
 Gemeinschaftsmahlzeiten nicht mehr aufbrachten, verloren die vollbürgerlichen Rechte und sanken in ein
 Spartiatentum verminderten Rechts hinab, auf die Stufe der hypomeiones, der Minderberechtigen, etwa
 die Stufe des Perioikentums. Seit dem Ende des 5. Jh. v.d.Z. begannen Söhne aus solchen
 herabgedrückten Spartiatenfamilien wie Kinadon auf Umsturz zu sinnen. (…)
Mitte des 5. Jh. v.d.Z. war die unheilvolle Verschiebung der Besitzverhältnisse schon so weit vorgeschritten,
 daß wenige mächtige Geschlechter den größten Teil des Staatsbürgerlandes besaßen und daß von diesen
 Großgütern 2/5 im Besitze von Erbtöchtern waren, in deren Familien also kein männlicher Erbe mehr lebte.
 (Aristoteles: Politiká II, 9, 15 und Plutarchos: Agis, 5, 7).
Unter Agis III. (nach der Mitte des 3. Jh. v.d.Z.), war nach Plutarchos (Agis, 7) „vom Reichtum Spartas der
 größte Teil in Händen von Frauen“;  die meisten aber hatten sich einem Wohlleben hingegeben. Die
 reichen und unabhängigen Erbtöchter wurden zu einem weiteren Unheil für den Staat, den zur gleichen Zeit
 der Peloponnesische Krieg mehr und mehr schwächte und dessen Herrenschicht schon an Zahl geschrumpft
 war.
Zur Ausmerze der spartiatischen Schicht trugen äußere Ereignisse (das Erdbeben) und innere Wandlungen
 (das Erbtöchterwesen) bei. Verlustreiche Kämpfe mußten gegen Argolis und Arkadien geführt werden, dann
 gegen die Erhebungen der Heiloten; schließlich konnte auf einen Ersatz der Verluste durch Geburten nicht
 mehr gehofft werden. (…) Eine Sage berichtet, daß schon –700 im 1. Messenischen Kriege, als die
 Spartaner gelobt hatten, nicht vor dem siegreichen Ende zurückzukehren, der Krieg sich aber in die Länge
 zog, die Kriegführenden befürchtet hätten, es werde bei längerer Abwesenheit der Männer an Nachwuchs
 fehlen; darum sei die jüngere Mannschaft, die an das Gelübde nicht gebunden war, nach Sparta
 zurückgesandt worden, damit sie für die eidgebundenen älteren Krieger Nachkommen zeugen. Die so
 gezeugten Kinder sind nach einem Bericht partheniai genannt worden, Jungfrauensöhne; sie sollen später
 die dorische Neusiedlung in Taras (Tarent) gegründet haben. (Aristoteles: Politiká V, 7, 2) und Strabon
 (VI, 3, 2) haben darüber geschrieben. (…) Unheimlicher aber als die äußere Gefährdung durch
 Kriegsverluste war die innere durch Abnahme der Geburten bei Zerfall der Familie.

Die Wandlung bei der Stellung der Frau

Die freie Stellung der Frau, die für alles  Indogermanentum bezeichnend ist, war in Hellas im homerischen
 Zeitalter noch erhalten; Gestalten wie Penelope, Andromache, Arete und Nausikaa lassen dies erkennen.
 Diese freie Stellung der Frau ist in Sparta nahezu erhalten geblieben, während bei den anderen
 Hellenenstämmen die Frau nach und nach ihre ursprüngliche Stellung als Hausherrin (despoina) verlor und
 auch im häuslichen Bezirke viel weniger galt als der Hausherr. Die indogermanische Sitte schrieb dem
 Ehemann und der Ehefrau gleiche Geltung zu, während andere Stämme semitischer Sprache, der Frau
 geringere Geltung zumaßen. Die morgenländische Unfreiheit der Frau, ihre Verweisung in eifersüchtig
 behütete Frauengemächer und ihre Verdrängung aus dem öffentlichen Leben: solche Sitten und
 Anschauungen sind schließlich für Athen und die meisten anderen hellenischen Staaten kennzeichnend
 geworden, während das Erbtöchterwesen und vielleicht auch Einwirkungen aus dem mutterrechtlichen Geiste
 der vorhellenischen Bevölkerungen, dazu ein Frauenmangel, wie er anscheinend nach dem Erdbeben
 eingetreten war, in Sparta die Geltung der Frau eher noch erhöhten. In Athen bewirkte die Minderung des
 Ansehens der Ehefrau, daß ledig bleibende, ihre Gunst an die Männer ungebunden verschenkende Frauen,
 oft Frauen von hoher Bildung, die Hetairen, um so einflußreicher wurden. Die gebildeten Geliebten
 wohlhabender Männer haben in Athen nicht nur durch Anstiftung von Ränken der führenden Männer
 gegeneinander und durch Förderung eines sophistisch auflösenden Geistes zur Zersetzung der
 Staatsgesinnung beigetragen, sondern auch dadurch, daß sie wertvollere Männer dem Familienleben
 entzogen und in ihren Beziehungen selbst kinderlos blieben, viel zum Aussterben der echt hellenischen
 Familien beigetragen.

In Sparta haben sowohl der Männerbund , wie der sich steigernde Fraueneinfluß, wie das Erbtöchterwesen,
 ausmerzend gewirkt. Je mehr die Männer im 4. Jh. v.d.Z. vom Staatswesen und vom Männerbunde
 gefordert wurden, je mehr zugleich die Zahl der Spartiaten abnahm, desto mehr wuchs der Einfluß der
 Frau. Die Frauen waren sich selbst überlassen, die Leitung des Hauswesens und der Güter mußte ihnen oft
 überantwortet werden; viele Frauen wurden hierdurch anmaßend und zügellos. Im 4. Jh.  v.d.Z.
 verschlechterte sich der Ruf der spartanischen Frau. Die ehelichen Bande lockerten sich, die von Polybios
 (XII, 6, 8) erwähnte Vielmännerei nahm zu. Die Erbtöchter begannen, sich dem Lebensgenuß hinzugeben,
 auch einem genießerischen Sport, der für sie einen Teil ihrer Körperpflege bedeutete. Die überlieferte
 Gesinnung spartanischer Leibesübungen verlor sich; die Mädchen übten nicht mehr um der tüchtigen
 Mutterschaft, sondern um ihres schönen Leibes willen. In den Tuskulanischen Gesprächen (Cicero: II, 15,
 16) sind griechische Verse angeführt, die wahrscheinlich vom Ende des 5. Jh. v.d.Z. stammen: die
 Spartanerinnen dächten mehr an ihren Sport als an das Kindergebären. Die Empfängnisverhütung aus
 Bequemlichkeit und Selbstsucht verbreitete sich neben derjenigen aus Verarmung. Es scheint, daß viele
 Spartiatentöchter, Nachfahren eines ungebundenen Lebens, erst spät heirateten und nur noch ein Kind
 oder zwei aufzogen. Dabei gehörten die Spartiatentöchter immer noch dem besten Menschenschlag an,
 den Hellas hervorbrachte.

Der Zerfall

Den Zerfall Spartas als Folge der Abirrung von den alt-spartanischen Sitten hat Plutarchos
 zusammenfassend beschrieben (Lakonische Denksprüche): „Solange Sparta die lykurgischen Gesetze
 befolgte und dem abgelegten Eide treu blieb (…), war es volle fünf Jahrhunderte lang… unter den
 hellenischen Staaten der erste und vornehmste“, dann aber hätten sich Habsucht und Liebe zum Reichtum
 eingeschlichen; die Machtstellung habe sich vermindert, die Bundesgenossen seien abgefallen. Noch seien
 die Spartaner aber dank der Reste lykurgischer Sitten und Gesetze geachtet gewesen bis in die Zeit nach
 dem Tode des Makedonenkönigs Alexandros;  endlich hätten aber die Lykurgs Verfassung gänzlich
 mißachtet, ihre überlieferte Lebensordnung gänzlich aufgegeben, seien Tyrannen verfallen und schließlich
 unter die Herrschaft der Römer geraten. Dieser
Weg zum Untergang war sicherlich dann unvermeidlich geworden, als der Grundsatz der Unveräußerlichkeit
 der Erbgüter – der Ernährungsgrundlagen für Familien mit ausreichendem Nachwuchs – aufgegeben, als
 auch in Sparta der Boden zur Ware geworden war.
Nach der Niederlage von Gellasia folgten sinnlose Versuche zur Rettung der Wirtschaft und des Staates, die
 verraten, daß nun auch die Besonnenheit, Zurückhaltung und Vordenklichkeit, diese echt spartanischen,
 zugleich nordischen Tugenden, in Sparta geschwunden waren, die Thukydes (I, 84) noch von den
 Spartanern gerühmt hatte. Nachdem im Jahre – 206 der grausame und höhnisch rohe Nabis sich zum
 Tyrannen aufgeworfen hatte, erfolgte in Sparta eine Gewaltherrschaft, durch die alte Familien ausgemordet
 wurden, die sich aus Freiheitsliebe dem Tyrannen entgegenstellten, durch die aber auch die meisten
 angesehenen und reichen Familien vernichtet wurden, weil Nabis sie fürchtete. (…) In dieser Zerstörung
 sind wahrscheinlich die letzten Spartiatenfamilien, aber auch manche tüchtigeren Perioithekenfamilien
 zugrunden gegangen und letzte Reste echten Dorertums der Rassenkreuzung anheimgefallen, dem
 Versinken im Rassengemisch der heilotischen Schicht. Unter dem Namen Sparta bestand zuletzt ein Land
 und ein halbfreier Staat ohne Spartaner.
Die Schlacht bei Leuktra von – 371 war eigentlich schon das Ende gewesen, obschon auch nach Leuktra die
 spartanische Würde noch nicht gänzlich verloren war. Als das thebanische Heer nach der Schlacht bei
 Leuktra bis zum Eurotas vorgedrungen war, rief nach Plutarchos (Lakonische Denksprüche) ein
 übermütiger Thebaner einem gefangenen Spartaner zu: „Wo sind denn nun die Spartaner?“ Der
 Gefangene antwortet: „Sie sind nicht da, sonst ständet ihr nicht hier.“ Die Antwort zeigt, daß den Resten
 des spartanischen Dorertums  bewußt war, die ererbte Kraft der ausgelesenen Geschlechter sei bis zum
 Ende bewahrt geblieben, die Zahl der Geschlechter aber sei schließlich zu gering geworden; die Thebaner
 waren in ein Sparta ohne Spartaner eingedrungen. Im Jahre – 331 war Sparta ein Teilstaat des
 Makedonenreichs geworden. (…) Nach der Schlacht bei Gellasia im Jahre – 221 betrat der Feind, die
 Makedonen unter Antigonos Doson, zum ersten Male das spartanische Kernland und besetzte dieses Land
 ohne Dorer. – 195 erfolgte die Eroberung Spartas durch die Römer, der Bevölkerung wurden grausame
 Friedensbedingungen auferlegt. In späterer römischer Zeit wurde die Stadt Sparta zu einer geruhsam
 abgelegenen Freistadt des Römischen Reiches, von reichen Römern als eine Sehenswürdigkeit besucht,
 als eine Örtlichkeit der ruhmvollen spartanischen Geschichte, über die gebildete Römer unterrichtet worden
 waren.
Was nach Untergang der dorischen Geschlechter in der Eurotaslandschaft und auf der Peloponnes bis auf
 den heutigen Tag erfolgt ist, läßt sich mit den 8 bis 9 Jahrhunderten dorischer Geschichte in diesen
 Gebieten nicht mehr vergleichen. Viele Geschlechterfolgen zahlreicherer Bevölkerungen haben in gleicher
 Umwelt nicht mehr das bedeuten und wirken können, was vorher dort gewirkt worden ist. Diese
 Bevölkerungen späterer Zeit waren wohl noch Spracherben der Dorer, kaum noch aber deren Bluterben. Wo
 indessen heute in der Peloponnes und auf Kreta noch Reste des Dorertums angenommen werden dürfen,
 kleine Gruppen von Nachkommen der Dorer mitteleuropäischer Herkunft, da sind dies höher gewachsene,
 blonde und helläugige Menschen in abseits gelegenen bäuerlichen Siedlungen. Die lakonische Mundart im
 Gebiete des Berges Parnon an der Ostgrenze des alten Spartas ist wahrscheinlich unmittelbar vom
 Lakonischen abzuleiten, also nicht wie die anderen Mundarten von der späthellenischen Gemeinsprache,
 der koiné; sie bewahrt von allen neugriechischen Mundarten die meisten Züge des
 Altgriechischen.                                  

Aus: Hans F. K. Günther, Lebensgeschichte des hellenischen Volkes, Pähl 1965; von uns zusammengestellt
 und -gefaßt

Die spartanische Erbpflege

Die Spartaner achteten auf die Vererbung menschlicher Anlagen und auf die Erhaltung des Bestandes ihrer
 Herrenschicht. Aus Plutarchos’ Schrift über Lykurgos ist zu ersehen, daß Sparta eine eigentliche
 Erbgesundheitsgesetzgebung besaß. (…) Tatsächlich bewahrt die diesem Lykurgos zugeschriebene
 Verfassung  auch in den Gesetzen zur Erbpflege  indogermanische Überlieferungen, die unter den
 spartanischen Verhältnissen fortgebildet waren und im Laufe der Jahrhunderte Gesetzeskraft erhielten. Die
 lykurgische Verfassung möchte den Spartanern das einschärfen, was Leonidas, als er in den sicheren
 Untergang der Schlacht bei den Thermopylen zog, nach Plutarchos (Über Herodots Böswilligkeit, 32)
 spartanischen Frauen gegenüber als sein Vermächtnis aussprach: „Heiratet Tüchtige und gebärt
 Tüchtiges!“ Eine solche Gesinnung der erblichen Ertüchtigung ihres Stammes war in Sparta Männern und
 Frauen eigen. Für alle freien Männer von gesunder Beschaffenheit bestand nach Pollux (III, 48; VII, 40)
 eine Heiratspflicht. Plutarchos ( (Lysandros 30) berichtet, in Sparta seien diejenigen bestraft worden, die
 nicht oder zu spät  geheiratet oder die Erbuntüchtige geheiratet hätten. Auch nach Athenaios (XIII, 555
 c/d) bestand auf Ehelosigkeit Strafe, Junggesellen wurden verachtet; sie durften bei Wettspielen nicht
 zusehen, und die Jünglige erhoben sich nicht bei ihrem Vorübergehen, wie sie es gegenüber verheirateten 
Männern taten.
Die staatliche Stärke Spartas wurde von den hellenischen Geschichtsschreibern der Siebung, Auslese und
 Ausmerze des Stammes und seiner Geschlechter zugeschrieben. Xenopohon hat in seiner Schrift über die
 Verfassung der Lakedaimonier (I, 10 ; V, 9) zunächst ausgesprochen, die lykurgischen Gesetze hätten
 Sparta Männer verschafft, die durch hohen Wuchs und Kraft ausgezeichnet seien, und dann
 zusammenfassend geurteilt: „Es ist leicht zu erkennen, das diese [siebenden, auslesenden und
 ausmerzenden] Maßnahmen einen Stamm hervorbringen würden, überragend an Wuchs und Stärke; man
 wird nicht leicht ein gesünderes und tauglicheres Volk finden als die Spartaner.“ Herodotos (IX, 72) nennt
 die Spartaner die schönsten Männer unter den Hellenen. Die rassische Eigenart der Spartanerinnen wird
 durch den um – 650 in Sparta wirkenden Dichter Alkman (Bruchstücke 54) gekennzeichnet, der seine Base
 Agesichora rühmt: ihr Haar blühe wie unvermischtes Gold über silberhellem Antlitz. Der Vergleich heller
 Haut mit dem Silber findet sich schon bei Homer. Im 5. Jh. v.d.Z. rühmte der Dichter Bakchylides (XIX, 2)
 die „blonden Mädchen aus Lakonien“. Noch der Erzbischof von Thessalonike, der im 12. Jh. lebende
 Eustathios, der Erläuterungen zu Homer schrieb, bekundete bei Erwäh–nung einer Iliasstelle (IV, 141), bei
 den Spartanern hätten helle Haut und blondes Haar die Zeichen männlichen Wesens bedeutet.
Einsichtige Männer der anderen hellenischen Stämme haben immer die edle Art des Spartanertums
 anerkannt, selbst dann, wenn ihr Heimatstaat mit Sparta im Kriege lag. Der weitblickende Thukydides (III,
 83) beklagt das Schwinden des Edelmuts und der Aufrichtigkeit bei den Dorern während des
 Peloponnesischen Krieges, die seine Vaterstadt Athen gegen Sparta führte. In ganz Hellas haben die
 Edlergearteten in Sparta ein Wunschbild besten Hellenentums erblickt. So hat auch Platon gedacht, dessen
 Vorschläge zu einer staatlichen Erbpflege dem dorischen Vorbilde folgen. Männlichkeit und
 Staatsgesinnung des Dorertums in Sparta, dessen Bewahrung von Maß und Würde, diese apollinischen
 Züge eines sich selbst beherrschenden, zum Befehl geschaffenen Edelmannstums: alle diese Wesenszüge
 sind von den Besten in Hellas bewundert worden. Die gefestigte Einheitlichkeit spartanischen Wesens durch
 die Jahrhunderte ist aber sicherlich ein Ergebnis der bestimmt gerichteten Auslese im Stamm der
 Spartaner gewesen, einer bewußten Einhaltung der lykurgischen Ausleserichtung.
Prof. H.F.K. Günther a.a.O. (von uns zusammengestellt und -gefaßt)

Auslese und Erziehung als Grundlagen der Menschenformung

Die hohen Anforderungen innerhalb des spartanischen Staatswesens konnten nur erfüllt werden, wenn
 hinter ihnen ein Menschentum stand, das in seiner Haltung von der Begeisterung und der Verantwortung
 für das Ganze durch und durch bestimmt war und dessen Kräfte zu außerordentlicher Leistungsfähigkeit
 gesteigert und auf den öffentlichen Dienst ausgerichtet waren. Die Fundamente für die Verwirklichung
 dieser Haltung und für ihr Fortleben durch die Generationen hindurch waren eine planmäßige
 Rassenauslese, die den Bestand eines einheitlichen und hochwertigen Bluterbes unter den Spartanern
 erhielt und förderte, und ein Erziehungssystem, daß durch seine innere Geschlossenheit und tiefgreifende
 Formkraft aus dieser Substanz den Typus einer politisch-kriegerischen Führerschicht schuf. Beide,
 Rassenauslese und Erziehung, in engstem Zusammenwirken miteinander, waren die Quellen, aus denen
 die menschliche Kraft Spartas sich immer wieder erneuerte. Sparta war unter den Staaten der antiken Welt
 die ausgeprägteste Blutsgemeinschaft. Die den griechischen Stämmen gemeinsame Überzeugung, daß
 aller wahre Wert und alle große Leistung ihren Ursprung in den von den Vorfahren ererbten Kräften des
 Blutes hätten, war hier in ganz besonderer Schärfe und Ausdrücklichkeit lebendig. Und die aus den
 ältesten Zeiten stammenden Sitten, die angestammte Art unverfälscht und ungemindert zu bewahren,
 waren hier nicht nur besonders reich entwickelt, sondern waren zu einem der wichtigsten Grundgesetze des
 Staates erhoben. Eine Fülle von Einrichtungen sorgte dafür, daß die Schar der führenden Spartiaten sich
 aus dem alten dorischen Blutserbe ergänzte und daß der Zufluß allein aus den gesunden und bewährten
 Kräften geschah. (…)
Die Lebensweisheit der Spartaner enthielt ein ausgeprägtes Wissen um das Verhältnis der Erziehung zu
 den Kräften des Blutes. So sehr das Hineinwachsen der jungen Generation in die Ideale der Väter nur aus
 den Wurzeln einer ursprünglich gesunden und unverdorbenen Naturanlage gelingen konnte, ebensosehr
 bedurfte sie einer eingreifenden erzieherischen Formung, wenn sie nicht verwildern und verkümmern und
 wenn aus ihr das Beste herausgeholt werden sollte. Spartiat im vollen Besitz der Arete war man nicht allein
 durch die Geburt aus edlem Blut, sondern man wurde es erst durch die Auslese der staatlichen Erziehung.
 So waren Rassenpflege und -erziehung wohl aufeinander abgestimmt und ergänzten sich wechselseitig.

Dr. Jürgen Brake, Spartanische Staatserziehung. Nach den Quellen bearbeitet, 1939